Mittwoch, 6. Juli 2011

Ehec.... Hus

Huhu,

für die meisten von Euch war Ehec eine Sache in den Zeitungen, die wahrscheinlich irgendwann schon fast genervt hat. Wer Lust hat zu lesen und interessiert ist, bekommt jetzt einen "Insider"-Bericht, denn für mich war es leider nicht nur in den Zeitungen mal wieder eine Sache wie Schweinegrippe und co, die "nur die anderen bekommen".... Diesmal war ich selbst "der Andere"!

Wir sind am 13.05. in die Türkei in den Urlaub geflogen, und ich hatte zu diesem Zeitpunkt noch nie etwas von Ehec gehört. Wir hatten ein wunderschönes Hotel, "den tollsten Pool", tolles Essen, ein schönes Zimmer, wir haben eine nette Familie aus Hannover kennen gelernt, idealerweise ebenfalls mit 2 Kindern - alles war perfekt, super Urlaub. An einem Freitag sind wir abgeflogen, 6 Tage später, Donnerstag Abend, wollten wir schlafen gehen und ich hatte leichte, leichte, Bauchschmerzen. Um 11. Um 2 bin ich aufgewacht, hatte normalen Durchfall, und dachte ganz naiv, "jetzt weisst Du ja, warum Du Bauchschmerzen hattest vorhin". Genau eine Stunde später fingen die Blutdurchfälle an, die 18 Stunden anhielten und exakt und pünktlich genau im Abstand von einer Stunde kamen. Der Hotelarzt gab mir auf dem Zimmer eine Elektrolyt-Infusion (wegen des Wasserverlustes), und versprach zuversichlich, morgen wäre alles vorbei. Dann kamen die Durchfälle pünktlich alle 15 min! Am 21. morgends schickte mich der Hotelarzt in Belek ins Krankenhaus. In den nächsten 2 Tagen schwollen meine Finger und Fusszehen so stark an, dass ich nach Antalya verlegt wurde, direkt auf die Intensivstation. Mein Mann hatte mich in Belek täglich besucht, das Taxi nach Antalya kostet ca. 80€, und vor allem wollten wir nicht, dass die Kinder die Instrumente, das Gepiepse etc sehen, also war ich alleine. Einmal am Tag kam ein Dolmetscher, der fragte, "ob was wäre". Um mich rum nur Türken, Männer, die ich nicht verstand, die mich gewaschen haben morgends und abends, weil ich mich nicht mehr bewegen konnte (ich hatte auch noch meine Regel!), und die am 2 Tag ein Dyalysegerät neben mich stellten, das nagelneu war. Es kam ein Arzt, der das Gerät in Betrieb nahm - da ist so ein ca 5 cm dicker, runder Zylinder, und als er fertig war, ich die Zugänge hatte, und er anfangen wollte, kam ein anderer Arzt, der mal eben den Zylinder umdrehte, weil er den falsch herum eingesetzt hatte. Als es dann los ging, das Blut aus meinem Körper gezogen wurde, waren überall Luftbläschen.... Ich hatte grosse Angst, konnte mich aber auch nicht wehren.

Mein Mann flog mit den beiden Kindern, er hatte 3 Tage verlängert, alleine mit 4 Koffern am Mittwoch nach Hause, und musste mich zurück lassen. Er hatte schon mit dem ADAC gesprochen, die meinen Rücktransport übernehmen wollten - aber ich war zunächst nicht transportfähig!

Freitag war ich es dann, und wurde mit so einer kleinen Maschine nach Rostock geflogen, weil zu diesem Zeitpunkt in Hamburg schon alle Krankenhäuser voll belegt waren. Ich kam nach Greifswald, lag dort 2 Tage auf der Wachstation, dann bekam ich Krämpfe, an die ich mich nicht erinnern kann. Ich wurde auf die Intensivstation gebracht, und von da an war ich zwar bei Bewusstsein, aber erinnern kann ich mich an die folgenden 8 Tage nicht. Jedenfalls nicht an alles! Aber leider an einiges! Die Bakterien haben mein Gehirn angegriffen, sich dort festgesetzt, und aus mir einen anderen Menschen gemacht. Ich habe Situationen, die reell passiert sind, in reale Alpträume eingebaut. Ein Beispiel: Ich wollte mir wohl nicht die Haare kämmen lassen, weil ich dachte, die wollen mir böses. Wenn mir einer zu nahe kam, habe ich um mich getreten. Darum wurde ich im Bett festgebunden. Und einmal wollte ein Pfleger mich waschen, und hat deswegen meine Arme über meinem Kopf fixiert. Diese Situation habe ich in meinen Traum genommen - dieser Mann, der über mir steht, eiskalt kuckt, sich insgeheim freut, eine Frau komplett in seiner Gewalt zu haben, ........ naja, den Rest spare ich an dieser Stelle ein, und kann nur sagen, dass ich noch nie in meinem ganzen Leben gewalttätige und grausameTräume hatte. Vor allem nicht so real-wirkende!

Die Träume betrafen auch meine Kinder. Auch bevor ich angebunden wurde. Und da die Träume so sehr realistisch waren, wollte ich meine Kinder schützen, Und meinen Mann, der auch mal drin vorkam. Ich wollte weg. Darum habe ich mir die Spritzen aus den Armen gerissen, die Zugänge. Die dann neu gelegt wurden, festgenäht wurden - und die ich trotzdem rausgerissen habe.... Ich kann mich weder an die Blutbäder erinnern, von denen mir erzählt wurde, noch an die Schmerzen. Ich habe nur das Gefühl, genau zu wissen wie es sich anfühlt, wenn man umgebracht wird!

Vom medizinschen her war es irgendwann kaum noch zu ertragen. Als ich dann wieder "denken konnte", bekam ich mit, wievele Medikamente ich überall hin bekam. Ich musste orangene kleine Spritzen in die Nase schnüffeln (gegen eventuelle Pilze), ich bekam dicke Spritzen mit einer kalten Flüssigkeit über die Magensonde direkt in den Magen gespritzt (was für ein ekelhaftes Gefühl), und ich hatte natürlich diverse Katheter in der Leiste - die eine Seite für die Dyalyse, die andere füe die Gabe von Medikamenten. Dann bekam ich fast 40 Fieber, weil die Katheter sich entzündeten. Unter Vollnarkose wurden die dann entfernt, und in den Hals rechts und links gelegt. Die ganze Zeit wurde ich immer wieder beatmet, weil ich nicht genug Luft bekam. Ich bekam unzählige Bluttransfusionen, Plasmaspenden.

Eine Nacht auf einer Intensivstation ist die Hölle. Es piepst, ist hell, die "medizinischen" Betten waren für meinen Körper unförmig. Die eine Nacht habe ich 5 Schlaftabletten bekommen, und lag trotzdem bis morgends wach. Ich musste für alles nach einer Schwester rufen. Denn wenn das Bett im Kopfteil hochgestellt ist, kann ich nicht schlafen. Da ich aber komplettes Nierenversagen hatte, hatte ich ununterbrochen Durst, und wenn das Bett flach gestellt ist, kann ich nichts trinken, weil ich mich aus eigener Kraft nicht aufsetzen konnte.

Ich hatte während dieser Zeit am ganzen Körper so starke Schmerzen, dass ich am liebsten gestorben wäre. Wenn mein Mann mich besuchen kam, hatte er am Eingang immer Angst vor neuen schlechten Nachrichten. Und es war wohl eine Woche lang recht eng...

Nach ca. 2 Wochen Intensivstation fing das Würgen an. Bei mehr als 2 Schlücken musste ich unkontrolliert würgen. Dabei zog ich mir selbst die Magensonde. Was die Schwester dazu veranlasst hat, mir Essen anzubieten - Schweinebraten mit Bohnen oder Kassler. "Man muss essen, um zu Kraft zu kommen. " Schon der Gedanke an beides lies mich wieder zur Schale greifen! Glücklicherweise wurde ich einen Tag später von der Intensivstation auf die Wachstation verlegt - wobei ich den komplett ganzen Weg ununterbrochen würgen musste. Es kam nur blutiger Schleim und Galle, aber ich konnte nicht aufhören..... Nach ein paar Tagen musste ich schon nach einem Schluck spucken, irgendwann konnte ich nicht mal die eigen gesammelte Spucke runterschlucken. Ich hatte inzwischen ca 6 Wochen nichts mehr gegessen, und da fing ich ernsthaft an, mir darüber Sorgen zu machen!

Ich bekam die ganze Zeit Dyalyse. Meine Blutwerte gingen auf und ab. Ich hatte hier und da Fieber. Ich musste immer wieder weinen bei dem Gedanken, dass ich in dieser einen kritischen Woche auf der Intensivstation fast gestorben wäre - und niemandem hätte Tschüss sagen können....meine Kinder nicht noch mal hätte drücken können.....Weg! Und fertig! Mit 38! Den Gedanken muss man erstmal verdauen!!!

Inzwischen hat sich die Lage entspannt. Ich bin zur Reha. Unglaublich, wie der Körper abbaut, nach 6 Wochen Liegen. Als ich das erste Mal an der Bettkante sass, vor 2 Wochen, hab ich Sterne gesehen. Laufen unmöglich. Aber der Körper baut sich mit ein bischen Willen auch relativ gut wieder auf. Heute hab ich einen Spaziergang gemacht durch den Park. Ich war danach fix und fertig, das Gehtempo war niedrig, es hat nur 20 Minuten gedauert, aber...es war ein Spaziergang. Kein Manu-Stechschritt, aber ein Fortbewegen.

Medizinische Probleme halten sich in Grenzen. Durch den wochenlangen Katheter hatte ich einen Keim in der Blase, bekam Antibiotikum. Nun ist der Keim weg, aber mein ganzer Körper voller roter Punkte. Ich seh aus wie ein Sams, eine Reaktion auf das Antibiotikum. Ausserdem sind alle Lymphknoten geschwollen, warum wird noch spekuliert. Aber mir tut nix weh.

Ich habe ein unendliches Bedürfnis nach Wasser, muss ununterbrochen trinken. Leider darf ich wegen des Ausschlages nicht ins Schwimmbad, aber das ist das geringste Übel.

Meine Nieren arbeiten wieder vollständig, ich muss nicht weiter zur Dyalyse. Ich kann wieder schreiben, kann wieder rechnen, rational denken. Die Feinmotorik ist wieder da. Alles Dinge, die weg waren. Ich kann, wenn ich in 3 Wochen wieder zuhause bin, mein Leben weiter leben wie vorher. Ich muss zu Kräften kommen, aber wenn ich das wieder geschafft habe, kann alles sein wie vorher.
Aber das wird es nicht. Die Natur ist jetzt für mich grüner als vorher. Ich werde nicht mehr soviel im Keller an der Stickmaschine stehen, nicht mehr in jeder abkömmlichen Minute. Ich habe gelernt, dass das Leben schneller vorbei sein kann, als man wirklich Piep sagt, und ich habe nur diese eine! Wir haben alle nur dieses Eine!!!!!!!!!!!!!
In diesem Sinne, Manu